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Renaissance mit Riesenandrang
Nach mehrjähriger Pause gab es im Gulfhof Ihnen wieder einen Hobbymarkt. So kamen die Veränderungen an

Folkert Bents  Ostfriesische Nachrichten

 

Engerhafe „Endlich ist er wieder da“, sagten die einen. „Es hat was gefehlt in den vergangenen Jahren“, sagten andere. Gemeint war der Hobbymarkt im Gulfhof Ihnen in Engerhafe. Sowohl die vielen Besucher als auch die 31 Hobbykünstler hatten einen der beliebtesten Hobbymärkte in der Region lange vermisst. Umso größer war die Freude über die 37. Auflage der Veranstaltung, die am Sonntag über die Bühne ging.

Das machen die neuen Veranstalter anders

Erste Herausforderung am Sonntag war es, einen Parkplatz zu finden. Der Besucherandrang war groß wie eh und je. Kein Wunder, denn auch nach vier Jahren Pause hatte der Hobbymarkt nichts von seiner Attraktivität verloren. Das Angebot der Hobbykünstler und -handwerker hatte wieder eine enorme Bandbreite. Von Frühlingsgestecken, Porzellan- und Papierkunst, über Textilien war alles dabei. Kleinteiliger Schmuck und große Vogelhäuser für den Garten wurden ebenso nachgefragt, wie exotische Handarbeiten aus Madagaskar. Inmitten des Gulfs fand sich ein Stand mit Käsespezialitäten, auf dem Kuhstall wurden Gewürze angeboten und am Ausgang gab es Honig und davor stärkten sich die Besucher bei Herzhaftem. Für das Catering im Thekenraum sorgten in diesem Jahr erstmals die Georgsheiler Landfrauen. Sie versorgten die Gäste mit Tee, Kaffee und einer großen Kuchenauswahl. Einige nutzten die Gelegenheit und deckten sich gleich für die heimische Kaffeetafel am Nachmittag ein.

Ein wenig hat sich aber doch geändert in der hobbymarktlosen Zeit. In den vergangenen Jahren fand im Trägerverein des Gulfhofes ein Generationenwechsel statt. „Das hat ein wenig gebraucht, jetzt läuft es aber“, so Vorsitzender Ralf Wiese. Viele Jahre hatte er zusammen mit seiner Frau Anja dem damaligen Organisationsteam um Margritt und Herbert Kubik-Harms bei der Vorbereitung der Hobbymärkte zur Seite gestanden. Jetzt hat Anja Wiese das Ruder übernommen und organisierte zum ersten Mal mit neuem Team. „Geändert haben wir den Aufbau ein wenig, um es den vielen Besuchern leichter zu machen“, so Anja Wiese. Alle könnten jetzt bei einem gemütlichen Rundgang die vielen Arbeiten bestaunen.

Das Catering haben die Engerhafer an die Landfrauen abgegeben, um die eigenen Helfer zu entlasten. Lob gab es dafür von „Mrs. Gulfhof“ Margritt Kubik-Harms und ihrem Mann Herbert, die es sich nicht nehmen ließen „ihren“ Hobbymarkt, jetzt als Gäste, zu besuchen.

Der nächste Termin
steht schon fest

Auch bei den Ausstellern, die unter anderem aus Cuxhaven, Bremen, dem Jeverland, und ganz Ostfriesland angereist waren, kamen die Veränderungen an. Die zahlreichen Gäste bescherten ihnen gute Umsätze wie an den Ständen zu sehen und zu hören war. Schon jetzt dürfen sich alle Beteiligten auf den nächsten Hobbymarkt freuen. Am letzten Wochenende im Oktober dürfte es dann bereits wieder weihnachtlich zugehen.

Bild Folkert Bents
Bild Folkert Bents

Die Ostfriesischen Nachrichten präsentieren:


Als „Die Frau des Marschbauern" verschwand


Sabine Nielsen las im Gulfhof Ihnen in Engerhafe aus ihrem zweiten Roman - „Otto Groote Ensemble" spielte Auswandererlieder kab Engerhafe. Es beginnt mit einer Kirschtorte. Zwischen Mürbeteigboden und dicker Baiserhaube quillt eine tiefrote Schicht Kirschkompott hervor. Um die Torte herum haben sich einige ältere Damen und ihre etwas jüngere Nichte versammelt, während der alte Kater sich auf dem Sofa putzt. Vor den Fenstern steigt Nebel von der See auf und hüllt die Insel Föhr ein. In dieser Atmosphäre von Gemütlichkeit werden Geschichten erzählt, und so kommt das Gespräch auch auf eine mysteriöse Begebenheit, die schon lange zurückliegt: Als sie über den Hof ging, um die Hühner zu füttern, verschwand die Frau des Marschbauern von der Bildfläche und wurde nie wieder gesehen. „Die Frau des Marschbauern" ist auch der Titel des Romans, den die (Nord-) Deutsch-Australierin Sabine Nielsen am Sonnabendabend im Rahmen einer Lesung im Gulfhof Ihnen in Engerhafe vorstellte. Der Roman ist der zweite Band einer inzwischen vierbändigen Familiensaga über die beiden reifen Schwestern Ruth und Willa, die manchmal aus ihrem beschaulichen Leben ausbrechen, um mit ihren vier Nichten lang gehütete Geheimnisse zu lüften und manches Rätsel aus der Familiengeschichte zu lösen. Er ist im Schardt-Verlag, Oldenburg, erschienen und beginnt auf der Insel Föhr, führt die rüstigen Detektivinnen aber auch bald nach Australien. Sabine Nielsen kann dabei aus dem Vollen schöpfen. Ihre ersten 20 Lebensjahre verbrachte sie selbst auf Föhr, wanderte dann nach Melbourne aus. Entsprechend anschaulich und dicht beschreibt sie die Orte der Handlung, die Landschaft, die Menschen, das Drumherum. Ihre Romanheldinnen werden zu Wanderinnen zwischen zwei Welten, in jedem der vier Romane sind die Erzählfäden über beide Inseln verwoben, denn Kerri, eine der vier Nichten ist wie Nielsen nach Melbourne ausgewandert. Ihre Emigrationserfahrungen sind eng an das Leben der Verfasserin angelehnt. Und immer geht es um ein lange zurückliegendes Rätsel, das auf seine Lösung wartet. In Australien spreche man von „cold cases", sagte die Autorin, von kalten Fällen aus der Vergangenheit. So sind ihre lebendigen Erzählungen eine Mischung aus Heimat- und Auswanderer-, aus Detektiv- und Familiengeschichte. Sabine Nielsen macht keinen Hehl daraus, dass ihre eigene Auswanderung komplizierter verlief als am Anfang geglaubt. Die Liebe führte sie nach Australien - und hielt sie dort. Seit 40 Jahren ist sie in Melbourne zu Hause, gründete eine Familie, studierte und arbeitete als Lehrerin - ihre Heimat, das blieb jedoch Föhr. „Es ist nicht der gleiche Himmel dort unten, der norddeutsche Himmel ist viel blauer, und es sind auch nicht die gleichen Sterne in der südlichen Hemisphäre. Man fährt an den Pazifischen Ozean, „aber so sehr ich auch draufstarre, es ist einfach nicht die Nordsee", klagte sie. „Integration ist schwierig, auch nach 40 Jahren eckt man immer noch hier und da an." Das Schreiben habe ihr geholfen, die Sehnsucht nach Hause zu stillen und wenigstens in Gedanken zurückzukehren in die kleine, freundliche Welt der Föhrer Inseldörfer, ihrem Sehnsuchtsort. Die Familiensaga ist bislang nur auf Deutsch erschienen, Fans hat Nielsen in Deutschland und auch in der großen Gemeinde deutscher Auswanderer in Melbourne. Und erstaunlich: Wenn sie liest und erzählt, hört man nach all den Auslandsjahren nicht den Hauch eines Akzents, der sich sonst so rasch aus dem Englischen ins Deutsche schleicht. Einen perfekten Partner habe sie in Otto Groote gefunden, berichtete Nielsen. Mit seinen beiden Kollegen Matthias Malcher an der Gitarre und Ralf Strotmann am Bass spielte Groote alte und neue Lieder über die norddeutsche Landschaft, den Himmel, die Schiffe, aber auch über die Sehnsucht nach der Ferne. Wie es der Zufall will, hat er mit seinem Ensemble gerade eine CD mit Liedern zu einem Auswanderertheaterstück gemacht, deren Erscheinen jedoch verschoben werden musste. Genauso wie Nielsen fand Groote sofort einen Draht zum Publikum, erzählte von seinen Liedern, sang spontan Stücke an, die ihm in den Sinn kamen. Wie in einer großen Familie am warmen
Ofen. Die ruhigen, oft melancholischen Texte, die weichen Stimmen der drei Musiker und die Atmosphäre in der alten Scheune im Kerzenlicht, sie versetzen die knapp 40 Zuhörer in eine Welt der Sehnsucht und der Suche - nach früher, der alten Liebe, der Heimat und sich selbst. Bildunterschriften: Die Präsentation der neuen CD musste zwar verschoben werden, aber das „Otto Groote Ensemble" (von links: Ralf Strotmann, Otto Groote, Matthias Malcher) stellte einige der neuen Lieder über Fernweh und Auswandern vor. In der Pause signierte Sabine Nielsen ihre Bücher. In der intimen Atmosphäre des Gulfhofes kam sie schnell mit den Zuhörern ins Gespräch und erzählte davon, dass Auswandern Abenteuer, aber auch jahrelanges Heimweh bedeutet. Fotos: Baumann
Heiko Poppen -- Heiko Poppen Geschäftsstelle Moordorf Ostfriesische Nachrichten GmbH Kirchstraße 8-14 D-26603 Aurich Fon: +49 (4941) 98950 Fax: +49 (4941) 989598 eMail: heiko.poppen@on-online.de URL: http://www.on-online.de Sitz Aurich, Amtsgericht Aurich HRB 201089 Geschäftsführer: Stefan Dunkmann Umsatz-ID-Nr.: DE 815065129

Sabine Nielsen, Foto: Baumann, ON
Otto Groote Ensemble, Foto: Baumann, ON

Ostfriesische Nachrichten vom 30. 12. 2010


Sendungsbewusstsein und Schluchzer von Hank





Nachdenkliches und Fröhliches beim Folkfestival zwischen den Jahren im Gulfhof Ihnen in Engerhafe / Alle Interpreten haben etwas zu sagen






von Gerd-D. Gauger




Engerhafe. Der Herr vor der Wetterkarte blickt so streng wie der Winter. „Vermeiden Sie unnötige Autofahrten", sagt er. Wir entnehmen daraus, dass das Aufsuchen des Milchmanns genehmigungsfähig ist, der nachweihnachtliche Besuch bei Erbtante Hilda dagegen eher nicht.
Aber wie verhält man sich mit dem Einlösen bereits georderter Konzertkarten? Die Antwort auf diese schwerwiegende Frage bekommt man in Engerhafe: zwei Tage nacheinander war im Gulfhof Ihnen volles Haus, pardon, volle Scheune. Und heute Abend wird es nicht anders sein. Der Grund für das Ausschlagen allen Rates des Straßenzustandsberichtsbeauftragten war/ist das „Folkfestival zwischen den Jahren". In der einschlägigen Szene längst das, wie es auf neudeutsch heißt, Event des Jahres schlechthin.
Sechs Gruppen beziehungsweise Solisten diesmal. Alle haben uns etwas zu sagen. Aber was ist, wenn Friedchen Müller des Englischen nicht mächtig ist, sich ihr Inhaltsschweres nicht erschließt, sie an den Problemen der von industrieller Erschließung bedrohten Fischer an der Bristol Bay in Alaska nicht teilhaben kann? „Unnötig" würde der uns bekannte Herr von der Wetterkarte sagen, „hören Sie doch einfach der Musik zu." Heureka! Warum nicht gleich so? Mat Martin zum Beispiel. Er ist der Sidekick von Kirsty McGee, der es dem Zuhörer schwer macht. Soll man sich nun auf die mal lyrische, mal kesse, aber stets ohrenschmeichelnde Stimme der englischen Vedette für eine bessere Welt konzentrieren oder auf das, was Martin alles Gitarre, Banjo oder Ukulele entlockt? Eine Fingerfertigkeit und ein Tongespür wie weiland Big Bill Broonzy. Obwohl der es ja mehr mit dem Blues hatte. Very british auch, Botschaften des Heils mit einem Zwinkern 'rüberzubringen. Da wir, siehe oben, bei guten Ratschlägen sind, folgt ein weiterer: Wenn es irgend geht, sollte die Gulfhof-Mannschaft versuchen, die beiden für ein Re-Engagement zu gewinnen.
Si Khan, das hört sich nach Dschungelbuch an. Sie erinnern sich: Shir Khan, der Wolf. Nun ist Si Khan zwar kein Wolf, doch wer seine Karriere verfolgt hat, weiß, dass er in seinem musikalischen Eintreten gegen alles, was sich einer besseren Welt entgegenstellt, scharfe Zähne zeigt. Er hat ein Sendungsbewusstsein und lässt sehr bestimmt im Publikum keinen Zweifel daran aufkommen, dass er es hat. In der Folk- und Aktivistenbewegung gilt er etwas, ein mitunter harscher, mitunter sanfter Dylan oder, wenn man so will, auch eine männlich Baez-Ausgabe. Zugegeben, mit technischer Perfektion wie Mat Martin kann er nicht protzen, bei ihm müssen es Aura und Texte machen. Letztere befassen sich mal mit dem Exodus der europäischen Juden, mal mit dem Eintreten für die Bürgerrechte der Farbigen in den Südstaaten der USA.
Für diese Bürgerrechte trat einst Martin Luther King ein, Pastor in Montgomery/Alabama, der ersten Hauptstadt der Konföderation. Und dort sind sie heute noch - King hin, Khan her - der Meinung, „the south will rise again!". Hank Williams kam aus Montgomery, und wenn die freundliche Janet im Williams-Museum unweit des Capitols an Hanks buntem Cadillac steht und erklärt, dass Hank „der Süden" war, kullern ihr berufsmäßige Tränen über die Wangen, weil „es nie wieder einen wie Hank geben wird". Naja, Janet, dann hast du Uli Sieker noch nicht gehört. Der Mandolinen- und Fiedelspieler der Bluegrass-Formation „Looping Brothers" war in Engerhafe einmal mehr „up to the best" mit seiner Hommage an Hank - einschließlich Schluchzer und Kiekser.
Wie die Brothers, die keine Botschaften übermitteln, sondern einfach „nur" exzellente Musik machen wollen, gehören auch die sanfte Linde Nijland und ihr Begleiter Bert Ridderbos und das Otto-Groote-Ensemble zu den ständigen Gästen im Gulfhof. Man wird nicht müde, ihnen zuzuhören. Und dann war da noch Martin Czech, dieser Instrumenten-Tausendsassa, den man von der Folkgruppe An Rinn kennt und der sich als Solist als das erwies, was er ist: ein Solitär.
Glückwunsch für alle Beteiligten auf, vor, unter, hinter dem Podium. Gut, dass sie nicht auf den Mann vom Wetteramt gehört haben.

ON Pressefoto Uli Sieker
ON Pressefoto Kubik-Harms

ON Pressefoto: Mat Martin & Kirsty McGee
ON Pressefoto: Si Khan